Was ist eigentlich Pferdeosteopathie?
Die Osteopathie und Physiotherapie ist aus dem Humanbereich nicht mehr wegzudenken. Mit verschiedenen sanften Maßnahmen wird das gestörte Bewegungsverhalten beeinflußt und wieder hergestellt, Schmerz gelindert, aber auch zur Rehabilitation nach Unfällen und Operationen eingesetzt.
Auch bei den Pferden wirken viele Faktoren auf den Körper und die Bewegungen ein - und beeinflussen diese. Diese Veränderungen können dann zu Störungen bei der Rittigkeit führen, im Sinne von z.B. Steifigkeiten, Stolpern, Taktfehler, Lahmheiten, Widersetzlichkeiten wie Buckeln und Steigen. Einher geht das oft mit Überempfindlichkeiten beim Striegeln, Schiefhaltung des Kopfes oder des Schweifes, oder Headshaking.
Zu diesen Einflüssen zählt zuerst einmal der Reiter. Um das Gewicht des Reiters tragen zu können muß die dazu nötige Muskulatur eingesetzt werden können und trainiert sein. Des weiteren sind die Einwirkungen des Reiters oft einseitig, da fast alle Menschen, bedingt durch die Alltagsbewegungen selbst eine Seite bevorzugen und dort geschickter sind. Die oft vorhandenen Händigkeit der Pferde kann dadurch noch verstärkt werden. Sättel können unpassend sein und so die Bewegungen von Vorhand, Hinterhand und Wirbelsäule massiv behindern. Unpassende Trensen und Gebisse können Schmerzen auslösen und falsche Impulse setzen. Der Gebrauch von Hilfszügeln ist nicht immer „Hilfe“, sondern kann zu starken Verspannungen und Muskelkrämpfen führen. Die Hufbearbeitung, egal ob Barhuf, Hufschuhe oder Beschlag muss zum Pferd und dessen Belastung passen. Auch die Zahngesundheit spielt eine große Rolle. Zahnschmerzen können sich über Verspannungen der Muskelketten bis zu einer Lahmheit steigern. Störungen innerer Organe, wie z.B. chronischer Husten beeinflusst das Bewegungsverhalten genauso wie ungünstige Haltungsbedingungen und Freßhaltungen. Und natürlich folgen nach Unfällen und Verletzungen mehr oder weniger große Bewegungsveränderungen.
Die Symptome (Erscheinungsbilder),die aus diesen Störungen entstehen können, sind oft: Schmerz, Muskelverspannungen, Bewegungs-einschränkungen
Die Osteopathie betrachtet den Körper ganzheitlich, als funktionelle Einheit. Dies ist keine Behandlungsform, sondern eine Betrachtungsweise. Es stehen alle Strukturen, wie Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen, Gelenke und Organe untereinander in Verbindung. Und so kann es sein, daß eine Lendenwirbelblockade zur Lahmheit eines Hinterbeines führt und auch den Darm in Form von Durchfall oder Verstopfung miteinbezieht.
Das Konzept der Osteopathie ist im vorigen Jahrhundert von dem Arzt Andrew Taylor Still erstellt worden. Er hat zwei Leitsätze geprägt:
- Die Struktur bestimmt die Funktion.
Das heißt: dass ein lebender Organismus nicht normal funktionieren kann, wenn die Körperstrukturen einen Teil ihrer Beweglichkeit verloren haben. Und
- Das Gesetz der Arterie ist vorherrschend.
Das bedeutet, das eine Einschränkung der Durchblutung das betreffende Organ schwächt, es kann seine Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen und wird anfällig für Infektionen durch Bakterien und Viren. Verbindet man nun die Inhalte beider Leitsätze, kann man sagen, wenn Muskeln, Knochen, Sehnen, und Bänder gestört sind und nicht normal zusammen arbeiten ist die Blutzirkulation gestört. Dies wiederum ruft Störungen in den Gebieten des Körpers hervor, die diese Gefäße mitversorgen. Und so lassen sich Lendenwirbelblockade, Hinterhandlahmheit und Störungen des Darmes in Verbindung bringen.
Außerdem sind alle Körperabschnitte über Fascien miteinander vernetzt. Das sind Faserhüllen, die Muskeln und Organe umkleiden, und auf diesem Weg Spannungen von einen Abschnitt auf andere Körperteile übertragen.
Schwierig wird es jetzt alle Erscheinungsbilder (Symptome) miteinander in Verbindung zu bringen. Wo liegt die eigentliche Ursache, was reagiert worauf?
Viel Hilfe bietet die Palpation, das Tasten, wobei die Wirbelsäule meist im Mittelpunkt steht, aber natürlich der ganze Körper miteinbezogen ist. Oft findet sich ein Wirbelblockade. Und um die Verbindung zu den Leitsätzen von Still wieder herzustellen: die hier aus dem Rückenmark austretenden Nerven können in den Gebieten irritieren, für die sie zuständig sind. Das sind z.B. Beinmuskeln und Organe. Es gibt nie ausgerenkte Wirbel, die man einrenkt, sondern nur blockierte Wirbel, die man löst!
Ist so, durch Palpation, Beobachtung, Bewegen, Hineinhören ins Pferd die Störung gefunden, wird behandelt. Oft sind es feine und sanfte Techniken die helfen, manchmal ist eine manuelle Mobilisation angezeigt. Während der Behandlung bekommt der Pferdekörper gezielte Impulse, die auf verschiedenen Ebenen wirken und dem Organismus helfen das ursprüngliche, natürliche Zusammenspiel wieder zu finden. Leider finden sich oft strukturelle Störungen, die sich im Laufe der Lebensjahre und der Belastung entwickelt haben. So ist z.B. bei Arthrose im Tarsalgelenk (Abnutzung im Sprunggelenk, auch Spat genannt), dieser Störfaktor häufig nicht mehr zu beheben. Man kann aber Erleichterung verschaffen und sollte die Behandlung in gewissen Zeitabständen regelmäßig wiederholen um damit auch einer Verschlechterung entgegenzuwirken.
Störungen, die aus Unfällen oder Verletzungen herrühren, werden direkt behandelt und brauchen eine gewisse Zeit, um auszuheilen. Danach müssen die Strukturen durch gezieltes Training wieder an die Alltagsbelastung gewöhnt werden, sich wieder in den Organismus eingliedern.
Oft werden jedoch ursprüngliche Schäden kompensiert. Der Körper (Mensch und Pferd) versucht sich durch Ausweichbewegungen zu helfen, um die gestörte, noch nicht ausgeheilte Struktur zu schützen. So kann es sein, dass man nur die Ausweichbewegungen sieht und die eigentliche Störung nicht gleich zu erkennen ist.
Die Behandlungen können an verschiedenen Strukturen ansetzen:
- so werden Muskeln gezielt gelöst, gedehnt oder gekräftigt,
- Gelenke werden gelöst und mobilisiert (beweglicher gemacht) oder stabilisiert
- die Durchblutung und das Lymphsystem werden angeregt
- Organfunktionen normalisiert
Dazu stehen die verschiedensten Behandlungstechniken zur Verfügung, die auch im Humanbereich eingesetzt werden, und die man angepasst und abgewandelt beim Pferd anwenden kann. Die meisten Pferde reagieren sehr sensibel auf die Behandlung und können sich gut darauf einlassen.